Ein Mann, der fährt zur See

oder der ganz normale Rassismus in den 1950er Jahren.

Über ein Fotoalbum

Nachdem zu Beginn diese Jahres meine Mutter verstorben ist, habe ich nun zahlreiche Fotos und Alben erhalten. Auch jene, die mich durch meine Kindheit begleiteten, die man immer wieder wie ein hübsches Bilderbuch mit spannenden Geschichten durchblätterte. Die Tümmler im Atlantik, das große Feuer auf dem Schiff, mein Vater mit dem widerspenstigen Affen im Arm, der sich erst dann beruhigte als er im Kabelgatt ein Stromkabel versuchte anzuknabbern. Und nicht zu vergessen, die Äquatortaufe, als Neptun persönlich dem Meer entstiegen ist.

Ja ja, lustige Geschichten.

Als Kind, des Lesens unkundig, interessierte ich mich nicht für die in manirierter Schrift unter die Aufnahmen gesetzten Erläuterungen. Wenn die Eltern etwas davon vorlasen, war nur die Rede von Rasmus und Schiffen, von der tapferen Mannschaft, ihrem Zusammenhalt und der Kameradschaft. Die anderen Dinge, die dort zu lesen sind, bakam ich nicht erzählt. Wenn man heute „Neger“ liest, könnte man denken, dass es sich um den Jargon der damaligen Zeit handelte.

Liest man jedoch etwas wie das, was auf der abgebildeten Seite steht, nämlich::

„… so wichtig wie die Braut zur Trauung, ist „Imperial“ für die Verdauung …

… die Negerkrew ist nun in Freetown an Bord gekommen und stellt sich im Sonntagsstaat dem Fotografen …

… ihr Blick geht nochmal zurück zu ihrem Kral, wo ihre Black-Mammin sitzt und in ein Bananenblatt heult.

…der Vormann fühlt sich ganz als Offizier und stellt sich mit seinen getreuen Paladinen in Herrscherpose der Kamera …“,

wird klar, worum es geht: Chauvinismus, Rassismus und Sexismus. Auf der anderen Seite auch um viel Alkohol, dem anscheinend zu jener Zeit von zahlreichen Seeleuten bei allen passenden und unpassenden Gelegenheite großzügig zugesprochen wurde.

Da mir die Fotografien und Alben nur leihweise zur Verfügung stehen, hatte ich ursprünglich die Absicht, nur diejenigen Bilder zu scannen und zu archivieren, mit denen ich eigene Erinnerungen verbinde. Dieses Album mit seinen durchweg unscharfen Aufnahmen, ist es von der fotografischen Qualität her im Grunde genommen nicht wert, dokumentiert zu werden. Nur die Tatsache, dass ich es seit frühester Kindheit kenne, machte es für mich interessant. Die im Plauderton daherkommenden Ungeheuerlichkeiten, die Verächtlichkeiten sind es, die mich das gesamte Album mit allen Aufnahmen in der ursprünglichen Reihenfolge haben scannen lassen. Die den Bildunterschriften zugrunde liegenden Ansichten und Haltungen hat mein Vater zeitlebens nicht abgelegt, er wurde nur vorsichtiger damit, sie zu äußern.

Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, dass es mir nicht darum geht, meinen Vater als üblen Rassisten zu diskreditieren. Ich glaube, er dachte dasselbe wie viele seiner Zeitgenossen es auch taten. Er sprach es aus und sie taten es auch. Es war im kleinbürgerlichen Milieu üblich, sich über Angehörige anderer Nationen zu mokieren, ausser denen der Siegernationen des zweiten Weltkrieges sowie der Länder, die gesuchten Naziverbrechern Schutz boten. Ebenso wurden genau die Minderheiten verachtet, die schon während des dritten Reichs verfolgt und ermordet worden waren.

Wie die meisten Männer verbrachte er die kurze Zeit, in der die Deutschen unmittelbar nach dem Krieg zur Besinnung über das kamen, was im Namen Deutschlands in der Welt angerichtet worden war, in Kriegsgefangenschaft. Als er 1948 entlassen wurde, waren die neuen Fronten bereits abgesteckt, der kalte Krieg hatte eingesetzt und es gab wieder Gutes zu verteidigen und das Böse, das vielen Deutschen die Heimat geraubt hatte, das es zu bekämpfen galt.

Wer dann wie er von der Welt zunächst im wesentlichen die Häfen und die Amüsierviertel der Hafenstädte zu sehen bekam, konnte seine Vorurteile immer nur bestätigt sehen. Die weisse Kolonialherrschaft, die arbeitete und Werte schuf und die Schwarzen, von denen er behauptete, aus eigener Anschauung urteilen zu können, dass „ein Drittel schläft, ein Dritteel klaut und ein Drittel arbeitet“.

Nur, wie gesagt war diese Haltung weit verbreitet in der damaligen Bundesrepublik unter Adenauer. Und solche Ansichten der Verachtung anderer Nationen wird noch heute in der Finanzkrise mit Parolen von den „faulen Portugisen, Italienern, Griechen und Spaniern, kurzgefasst den PIGS“ befeuert.

Die Erläuterungen zu den Fotos könnten heute ohne weiteres auch in der Bildzeitung zu finden sein. dem Blick in den Abgrund!

Ich sehe dieses Album als zeitgeschichtliches Dokument, das nur in seiner Gesamtheit einen Eindruck von den Ansichten Mancher in unserer Elterngeneration wiedergibt. Deshalb habe ich die Aufnahmen auf eine Größe skaliert, wie sie auch in etwa im Original haben, sofern man sie in einer heute üblichen Bildschirmauflösung betrachtet.

Ich distanziere mich ausdrücklich von den herabwürdigenden Äußerungen in der folgenden Bildergalerie. Sollte die Veröffentlichung der Fotos jemandes Urheberrecht verletzen, bitte ich um Information. Ich werde dann die Aufnahmen umgehend von der Seite entfernen.

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